Wenn Rot-Grün so weiter macht, droht SH das gleiche Abstiegsszenario

17.11.2016
Landtagsrede

Es gilt das gesprochene Wort!

Eines, Frau Ernst, muss man Ihnen lassen: Sie verpacken die linksideologische Bildungspolitik deutlich freundlicher als es Ihre Vorgängerin Frau Wende gemacht hat. Umgang und Stil in Ihrer Amtsführung hat ein besseres Miteinander gefördert. Auch unsere bildungspolitische Sprecherin Heike Franzen hat mir berichtet, dass die Gespräche mit Ihnen über Einzelprobleme konstruktiv sind und so Lösungen in Fachfragen gefunden werden. Ja, Sie haben einige Probleme gelöst. Zum Beispiel das Gastschulabkommen. Aber die Linie ist die gleiche geblieben.

Ein genauer Blick reicht, um zu erkennen: Sie setzen diese Politik in vielen Bereichen eins zu eins um.

Frau Wende ist mit der Axt durch den Bildungswald gelaufen und Sie haben das übriggebliebene Kleinholz zwar hübsch sortiert, aber besser geworden ist es dadurch nicht.

Auch wenn Sie behaupten, am Gymnasium festhalten zu wollen: Mit der Einführung des Einheitslehrers hat Rot-Grün bereits die Axt an unsere Gymnasien gelegt.

Wer wie Sie vorgibt: Bildungspolitik ohne Ideologie zu machen – der muss doch für eine individuelle Lehrerausbildung für unterschiedliche Schularten sein.

Bei der Inklusion schauen Sie nicht, was gut für die Kinder ist, sondern Ihnen geht es einzig und allein um die Quote. Dabei muss doch der Fokus darauf gelegt werden, was für die Kinder am besten ist.

Nachdem es für die rot-grüne Regierungskoalition in den vergangenen Monaten in allen Bildungsstudien schlechte Noten gehagelt hatte, ist die jetzt erschienene IQB-Studie ein Lichtblick seit langem. Diesen Lichtblick haben wir vor allem unseren engagierten Lehrerinnen und Lehrern der Fächer Deutsch und Englisch zu verdanken. Ihnen haben wir den Auftstieg unserer Schülerinnen und Schüler in die Spitzengruppe im Bundesvergleich zu verdanken. Dafür sage ich an dieser Stelle allen Lehrerinnen und Lehrern ein herzliches Dankeschön!

Gerade im Fach Englisch hat sich gezeigt: Es war richtig, unsere Kinder noch früher mit dem Englischunterricht beginnen zu lassen. Nicht erst auf der weiterführenden Schule, sondern schon ab der dritten Klasse in der Grundschule. Dafür hat die CDU-geführte Landesregierung unter Peter Harry Carstensen gesorgt.

Die IQB-Studie eignet sich aber nicht dazu, in Schleswig-Holstein in bildungspolitische Jubelstürme zu verfallen. Sie zeigt vielmehr: 7 Prozent aller Schülerinnen und Schüler in unserem Land verlässt die Schule ohne einen Schulabschluss.

Ein ähnliches Bild hat bereits die vorangegangene Caritas-Studie gezeigt. Dort ist die Zahl der Schulabbrecher, die am Ende die Schule ohne einen Abschluss verlässt, gegenüber dem Bundesdurchschnitt sogar noch größer geworden. Schleswig-Holstein belegt mittlerweile den vorletzten Platz im Bundesranking. Das ist ein ernstes Problem. Denn: Ohne einen Schulabschluss sind die Chancen auf dem Arbeitsmarkt wesentlich geringer. Wenn junge Menschen keine vernünftige Zukunftsperpektive haben, dann ist die Gefahr größer, dass sie auch als Erwachsene in unserer Gesellschaft keinen Fuß fassen und abrutschen.

Frau Ernst, Sie beklagen immer in Ihren Reden: Das Elternhaus entscheidet in einem hohen Maß über den Bildungserfolg von Kindern. Seit 1988 ist es die SPD gewesen, die maßgeblich Verantwortung für die Bildungspolitik in unserem Land getragen hat. Aber auch sie hat hier nichts verbessert!

Ein weiteres Problem, das die IQB-Studie zeigt, ist die Rechtschreibung. Zwischen Mädchen und Jungen klafft eine große Lücke. Während schleswig-holsteinische Mädchen heute weniger Fehler in Diktaten machen und in ihren Leistungen über den Bundesdurchschnitt geklettert sind, liegen die Jungen dahinter zurück. Hier muss das Land gegensteuern, wenn wir die Jungen nicht verlieren wollen. Die Zahlen müssen der Landesregierung zu denken geben. Sie war es schließlich, die die Leistungsanforderungen für die Rechtschreibung abgesenkt hat! Ein großer Fehler, der vor allem Jungen schadet.

Und es geht weiter. Erst im vergangenen Jahr hat eine Umfrage der Industrie- und Handelskammer offenbart: 60 Prozent aller Betriebe sehen gravierende Mängel im schriftlichen Ausdrucksvermögen ihrer Auszubildenden. Das ist für die Mehrheit aller schleswig-holsteinischen Betriebe ein so ernsthaftes Problem, dass ein Drittel von ihnen auf eigene Faust Nachhilfeunterricht organisiert. Auch die Industrie- und Handelskammer ist alarmiert.

Statt unser Bildungssystem ständig zu entwerten, täte diese Landesregierung gut daran, unseren Kindern das Grundgerüst für ihr späteres Berufsleben mit auf den Weg zu geben.

Weitere Studien zeigen: Unser Land schneidet in anderen Bildungsbereichen durchaus schlechter ab, als es die jetzige IQB-Studie vermuten lässt. Darüber dürfen wir nicht hinweggehen. Schauen Sie sich zum Beispiel den Bildungsmonitor an oder auch die Studie der Caritas! Sie zeigen: Schleswig-Holstein hinkt den anderen Bundesländern sogar hinterher. Laut Bildungsmonitor ist Schleswig-Holstein im Übrigen das einzige Land, wo sich die Leistungen der Schüler in den letzten drei Jahren – zwischen 2013 und 2016 - verschlechtert haben.

Rot-Grün hat in den letzten Jahren zu wenig dafür getan, damit unsere Schülerinnen und Schüler unsere Schulen noch fitter verlassen als bisher. Im Gegenteil: Ob Abschaffung von Noten und Schulartempfehlungen oder der Wegfall des Sitzenbleibens – Rot-Grün hat gewaltig an der Leistungsschraube gedreht. Und das nicht nach oben, sondern leider nach unten.

Wie sollen Eltern realistisch einschätzen können, an welcher weiterführenden Schule ihr Kind am besten aufgehoben ist, wenn keine Schulartempfehlung ausgestellt wird?! Zum Glück haben die Eltern Ihren Weg für notenfreie Grundschulen gestoppt!

Wie soll ein Einheitslehrer künftig angemessen auf die unterschiedlichen Bedürfnisse unserer Schülerinnen und Schüler eingehen, wenn er pädagogisch gar nicht dazu ausgebildet ist?“

Wie sollen Schülerinnen und Schüler die Schule erfolgreich beenden, wenn sie bei unzureichenden Leistungen in einer Klassenstufe das Jahr nicht wiederholen dürfen?!

Und wie sollen Schülerinnen und Schüler erfolgreicher in den Naturwissenschaften werden, wenn Sie ihnen Biologie, Chemie und Physik in einem Fach beibringen?

Das frühere Vorzeigeland Baden-Württemberg hat bereits gezeigt: Die rot-grüne Vorstellung, ohne Leistung geht Schule auch, ist eine Illusion. In nur fünf Jahren hat es die grün-rote Landesregierung geschafft, das Land schulpolitisch abzuhängen. Mit weitreichenden Folgen. Wie die IQB-Studie zeigt.

Der Vorsitzende des Deutschen Philogenverbands, Heinz-Peter Meidinger, erklärt das Abschneiden so: „Der signifikante Leistungseinbruch Baden-Württembergs in Deutsch kann kein Zufall sein. Es liegt nahe, hierfür die seit 2009 massiv und überstürzt in Gang gesetzten Schulreformen mitverantwortlich zu machen, in denen nicht die Frage der Leistungsorientierung, sondern einer falsch verstandenen Bildungsgerechtigkeit im Vordergrund stand.“ Da Schleswig-Holstein heute die gleichen Fehler macht, wie Baden-Württemberg sie vor fünf Jahren gemacht hat, befürchte ich:

wenn wir so weiter machen, steht Schleswig-Holstein in fünf Jahren dort, wo Baden-Württemberg heute steht. Darum muss Baden-Württemberg vor allem dieser Landesregierung eine Warnung sein. Wer auf Leistung verzichtet, verschlechtert die Bildungschancen unserer Kinder!

Die Lehrerversorgung in der Oberstufe ist hier so schlecht wie in keinem anderen Land. Und das obwohl Sie zusätzliche Lehrerstellen ins System gegeben haben. Das Problem ist nur: Diese Stellen kommen in den Klassenräumen nicht an. Das ist auch kein Wunder: Mit Ihren Bildungsreformen, wie den neuen Mini-Oberstufen an Gemeinschaftsschulen, sorgen Sie dafür, dass Lehrkräfte an anderen Schulen fehlen und dringend gebrauchte Ressourcen nicht zur Verfügung stehen.

Ich will an dieser Stelle mit einer Legende aufräumen, weil Sie es auch in Ihrer Rede erwähnt haben. Sie können es vielleicht nicht wissen, Frau Ernst: Der Stellenabbau ist in der Großen Koalition unter einer Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave beschlossen worden. Auch Herr Dr. Stegner hat dem zugestimmt.

Kuschelpädagogik hilft unseren Schülern nicht im Geringsten. Eine Landesregierung muss vielmehr wieder dafür sorgen, dass Schülerinnen und Schüler so gefördert werden, dass sie mit einem Abschluss in der Tasche unsere Schulen verlassen.

Ihr „Abi für alle“ löst unsere Probleme nicht. Wir müssen alle Schulabschlüsse stärken. Unser Prinzip der dualen Ausbildung muss gestärkt werden. Die 80.000 Fachkräfte, die uns in 10 Jahren fehlen, sind nicht nur Akademiker! Sie fehlen im Handwerk und im Mittelstand.

Darum gilt auch hier: Das Land muss wieder zurückkommen zum Grundsatz "Fordern und fördern". Nur in diesem Gleichklang funktioniert gute Bildungspolitik!

Wir müssen die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Schülerinnen und Schüler wieder in den Mittelpunkt stellen. Und gleichzeitig die Schulen stärken, indem wir flexible und eigenverantwortliche Formen der Schulorganisation ermöglichen.

Wir müssen dafür sorgen, dass es überall Noten gibt. Als Ergänzung dazu werden wir Lernentwicklungsberichte einführen. Nur so können Schülerinnen und Schüler verlässlich bewertet werden. Und nur so wissen sie, wo sie mit ihrer Leistung stehen. Und natürlich sind Noten immer auch ein Ansporn, seine eigene Leistung zu verbessern.

Und wer eine Jahrgangsstufe aufgrund ungenügender Leistungen nicht schafft, dem müssen wir wieder die Möglichkeit geben, das Jahr zu wiederholen. Nur so kann der fehlende Stoff erfolgreich nachgeholt werden. Und nur so werden Schülerinnen und Schüler nicht abgehängt.

Ebenso müssen wir wieder einen Wechsel zwischen den Schularten Gymnasien und Gemeinschaftsschulen ermöglichen. Nur so stellen wir sicher, dass alle Schüler leistungsgerecht gefordert und gefördert werden.

Bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode müssen wir eine Unterrichtsgarantie für die Schulen erarbeiten. Nur so wird es gelingen, den derzeitigen Unterrichtsausfall wirksam zu bekämpfen, den Rot-Grün trotz der vielen neuen Lehrerstellen nicht in den Griff bekommen hat.

Wir müssen wieder dafür sorgen, dass unsere Lehrerinnen und Lehrer an Gymnasien und an Gemeinschaftsschulen auch entsprechend schulartbezogen ausgebildet werden. Nur so können die unterschiedlichen Bedürfnisse unserer Schülerinnen und Schüler angemessen berücksichtigt werden.

Und wir müssen wieder dafür sorgen, dass die Naturwissenschaften Biologie, Physik und Chemie wieder einzeln unterrichtet werden. Das Gleiche gilt für das Fach Weltkunde. Erdkunde, Geschichte und WiPo müssen wieder einzeln unterrichtet werden!

Wir wollen in erster Linie, dass sich die Menschen auf unser Bildungssystem verlassen können. Darum stärken wir die geschaffenen Strukturen statt sie zu verändern. Dies gilt für die gesamte Bildungslandschaft. In Schleswig-Holstein darf sich nicht das wiederholen, was in Baden-Württemberg bereits traurige Realität ist. Dafür brauchen wir einen Kurswechsel. Den werde ich einläuten.